Einem internationalen Team unter der Leitung von Wissenschaftlern von GSI/FAIR Darmstadt, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und dem Helmholtz-Institut Mainz ist es gelungen, die chemischen Eigenschaften der künstlich hergestellten superschweren Elemente Moscovium und Nihonium (Elemente 115 und 113) zu bestimmen.
Moscovium wurde damit zum schwersten Element, das jemals chemisch untersucht wurde. Die beiden neu charakterisierten Elemente sind chemisch reaktiver als Flerovium (Element 114), das zuvor bei GSI/FAIR untersucht wurde. Die Ergebnisse werden in der Zeitschrift veröffentlicht Grenzen der Chemie.
Mit diesem Ergebnis liefern die GSI/FAIR-Experimente nun Daten zu den drei superschweren Elementen 113, 114 und 115, die eine zuverlässige Klassifizierung ihrer Eigenschaften und eine Beurteilung der Struktur des Periodensystems in diesem Extrembereich ermöglichen.
Mit zunehmender Schwere der Elemente beschleunigen die vielen Protonen im Kern die Rotation der Elektronen um den Kern auf immer höhere Geschwindigkeiten, so dass Effekte ausgelöst werden, die nur mit Einsteins berühmter Relativitätstheorie erklärt werden können. Die schiere Geschwindigkeit macht die Elektronen schwerer.
Bei Blei (Element 82) beispielsweise sind die Auswirkungen solcher Prozesse bereits am Werk und tragen zu den chemischen Prozessen von Bleibatterien bei.
Die Nachbarn links und rechts – Thallium und Wismut – verhalten sich unterschiedlich. Der Effekt ist zwar schwach, aber auf der Bleiebene lokalisiert. Könnte ein superschweres Element eine wichtige Alternative darstellen? Was ist mit dem schwereren Nachbarn der Gruppe des Periodensystems, Flerovium, Element 114, das erst in den letzten 20 Jahren entdeckt und chemisch untersucht wurde? Es wurde festgestellt, dass es sich stark von Blei unterscheidet, sich leicht in ein Gas umwandeln lässt und chemisch weniger reaktiv ist.
Um Antworten zu finden, war es auch notwendig, die beiden benachbarten Elemente 113, Nihonium, und 115, Moscovium, zu testen. Obwohl über erste Hinweise auf die Chemie von Nihonium berichtet wurde, hat bis jetzt noch niemand eine Untersuchung der Chemie von Moscovium durchgeführt, wo das am besten passende Isotop nur etwa 20 Hundertstelsekunden lang existiert.
Dieses Kunststück ist nun dank der internationalen Zusammenarbeit des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt gelungen. Das Team berichtete, dass die beiden Nachbarn Nihonium und Moscovium eine höhere chemische Reaktivität aufweisen als das dazwischenliegende Flerovium.
Der bei Blei beobachtete lokale Effekt wird daher auch bei Flerovium beobachtet, allerdings deutlich stärker, was angesichts der viel höheren Kernladung nicht verwunderlich ist.
Für dieses Ergebnis reichte die Beobachtung einer Handvoll Atome aus. Um dies zu erreichen, waren jedoch zwei Monate ununterbrochener Arbeit rund um die Uhr im GSI/FAIR-Schwerionenbeschleuniger erforderlich.
Um die superschweren Elemente herzustellen, bestrahlte das Team dünne Schichten, die Americium-243 (Element 95), selbst ein künstliches Element, enthielten, mit intensiven Strahlen aus Calcium-48-Ionen (Element 20). Ihre Fusion führte zu Kernen von Moscovium-288 (Element 115), die sich im Bruchteil einer Sekunde in Nihonium-284 (Element 113) verwandelten.
Ein Inertgas trieb die beiden Elemente durch eine Reihe von Detektoren, die mit einer dünnen Quarzschicht bedeckt waren. Die Detektoren zeichnen den Zerfall jedes superschweren Atoms auf und bestimmen, ob die Atome eine chemische Bindung mit dem Quarz eingehen, die stark genug ist, um sie dort zu halten, wo sie zum ersten Mal auf die Oberfläche treffen.
Eine schwächere Bindung führt zu einem weiteren Transport durch das Gas. Auf diese Weise gibt das im Detektorarray aufgezeichnete Muster Aufschluss über die Stärke chemischer Bindungen und damit über die chemische Reaktivität der Elemente. Elemente mit geringer Reaktivität könnten sogar das Netzwerk verlassen, allerdings nur, um auf goldbeschichtete Detektoren zu treffen. Die Bindungen mit Gold sind im Allgemeinen stärker als mit Quarz, sodass jedes untersuchte Atom gut im Gedächtnis bleibt und aufgezeichnet wird.
„Dank einer neu entwickelten Anlage zur chemischen Trennung und Detektion in Kombination mit dem elektromagnetischen Separator TASCA konnten unsere Gaschromatographiestudien auf reaktivere chemische Elemente wie Nihonium und Moscovium ausgeweitet werden“, erklärt Dr. Alexander Yakushev von GSI/FAIR, Sprecher. der internationalen Zusammenarbeit.
„Es ist uns gelungen, die Effizienz zu steigern und die für die chemische Trennung erforderliche Zeit so weit zu verkürzen, dass wir das sehr kurzlebige Moscovium-288 und mit einer noch höheren Rate von etwa zwei Atomen pro Woche, seiner Tochter, beobachten konnten.“ Nihonium-284.
Insgesamt wurden vier Moscovium-Atome registriert, alle im quarzbeschichteten Gitter. Unter den 14 nachgewiesenen Nihoniumatomen wurde eine Ablagerung hauptsächlich auf Quarz beobachtet, was auf die Bildung einer chemischen Bindung hinweist.
Ein Atom hat das goldbeschichtete Gitter erreicht, was darauf hindeutet, dass die Quarzbindung nicht sehr stark ist. Dies steht im Gegensatz zum Verhalten der leichteren Gegenstücke Thallium (für Nihonium) und Wismut (für Moscovium), von denen bekannt ist, dass sie starke Bindungen mit Quarz eingehen. In ähnlicher Weise bildet Blei, das Gegenstück zu Flerovium, starke Bindungen mit Quarz, Flerovium dagegen nicht.
Der vollständige Datensatz zu diesen Elementen zeigt, dass superschwere Elemente viel weniger reaktiv sind als ihre leichteren Gegenstücke, was auf die Trägheit zurückzuführen ist, die mit dem Auftreten relativistischer Effekte verbunden ist.
Der stärkste Effekt wird lokal auf der Ebene von Flerovium beobachtet, das immer noch ein Metall ist, aber sehr schwach reagiert, ein Verhalten, das auf das Vorhandensein geschlossener elektronischer (Unter-)Schichten hinweist, fast wie bei nicht reaktiven Edelgasen. Die Ergebnisse belegen den Einfluss von Einsteins Relativitätstheorie auf das Periodensystem und stellten gleichzeitig einen neuen Rekord für das schwerste jemals chemisch untersuchte Element auf.
Mit dem technologischen Fortschritt entstehen neue Materialanforderungen. Könnten neue Elemente dazu beitragen? So wie einige Autos von fossilen Brennstoffen auf Elektrizität umsteigen, werden auch andere Elemente unseres täglichen Lebens aus dem Verkehr gezogen und durch Technologien ersetzt, die auf neuen Materialien basieren. Das erste auf Flerovium basierende Gerät ist jedoch noch nicht in Sicht.
Derzeit können nur einzelne Atome pro Woche hergestellt werden, die weniger als eine Sekunde dauern. Mit fortschreitender Technologie könnte sich dies ändern und schließlich größere Mengen verfügbar machen.
Wir wissen nicht, ob sie in zukünftigen Batterien oder als medizinische Wirkstoffe verwendet werden könnten oder ob sie unser Leben auf heute undenkbare Weise bereichern könnten. Doch dank der bahnbrechenden Experimente in Darmstadt haben zukünftige Forscher einen Vorsprung und kennen bereits die chemischen Eigenschaften dieser neuen Materialien.
Dieses Ergebnis eröffnet auch neue Perspektiven für die derzeit in Darmstadt im Bau befindliche internationale Anlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research).
Weitere Informationen:
A. Yakushev et al., Manifestation relativistischer Effekte auf die chemischen Eigenschaften von Nihonium und Moscovium, die durch Gaschromatographiestudien aufgedeckt wurden, Grenzen der Chemie (2024). DOI: 10.3389/fchem.2024.1474820
Bereitgestellt von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
Zitat: Wissenschaftler identifizieren chemische Eigenschaften der superschweren Elemente Moscovium und Nihonium (5. November 2024), abgerufen am 5. November 2024 von https://phys.org/news/2024-11-scientists-chemical-properties-superheavy-elements.html
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