von Dr. Kristin Beck, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

Energiekrise bei Ostseedorsch und Co.  : Wie Eutrophierung und Klimawandel die Nahrungsnetze der Ostsee verändern

Probenahmestationen für Dorsch und Scholle in der westlichen (blau) und zentralen (rot und gelb) Ostsee. Die westlichen Ostseestationen befanden sich 2020 in der Mecklenburger Bucht als Teil der Beltsee. Die zentralen Ostseestationen befanden sich 2019 (rot) und 2020 (gelb) bei Rügen und im Südwesten des Bornholmer Beckens. Die Nebenkarte zeigt die gesamte Ostsee. Kredit: Ökologie und Evolution (2024). DOI: 10.1002/ece3.11048

Phytoplankton ist die primäre Energiequelle aller Meeresökosysteme: Diese im Meerwasser schwimmenden winzigen Pflanzen nutzen die Photosynthese, um Energie in Form von Biomasse zu binden, die dann Schritt für Schritt über marine Nahrungsnetze an verschiedene Fischarten weitergegeben wird. und Fischfresser.

Die Energiemenge, die verschiedene Organismen erreicht, hängt von ihrer Position im Nahrungsnetz ab. Etwa 90 Prozent der Energie gehen als Wärme von einer Ebene zur nächsten verloren. Je mehr Ebenen ein Nahrungsnetz hat, desto weniger Energie gelangt zu den Organismen an der höchsten Stelle, wie zum Beispiel Raubfischen.

„Das Phytoplankton der zentralen Ostsee hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark verändert. Im Sommer dominiert zunehmend die massive Entwicklung fadenförmiger Cyanobakterien. Das Phänomen ist als Blaualgenblüte bekannt. grün“, erklärt Meeresbiologe Markus Steinkopf. am Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW).

Aufgrund der durch den Klimawandel bedingten höheren Wassertemperaturen und der anhaltend hohen Nährstoffbelastung der Ostsee seien Blaualgen anderen Phytoplanktonen wettbewerbsfähig überlegen, sagt Steinkopf.

„Fadenblaualgen können aufgrund ihrer Form und Größe nicht von kleinen Zooplanktonkrebsen aufgenommen werden, die in der Regel nach dem Phytoplankton die nächste Position in marinen Nahrungsnetzen einnehmen. Bisher waren Folgen für die Energieversorgung höherer Organismen weitgehend unbekannt.“ sagt der Hauptautor der Studie über Veränderungen im Nahrungsnetz in der Ostsee, die gerade in der Zeitschrift veröffentlicht wurde Ökologie und Evolution.

Steinkopf ging dieser Frage nach, indem er die Nahrungsnetzposition von Kabeljau und Flunder in der zentralen Ostsee mit der von Kabeljau und Flunder in der westlichen Ostsee verglich, wo Blaualgen nicht grün blühen. Er nutzte die Analyse stabiler Stickstoffisotope in Aminosäuren, um die Ernährung der untersuchten Fischpopulationen zu identifizieren und so ihre Position im Nahrungsnetz zu bestimmen.

Je nachdem, wovon sich die Fische ernähren, können in ihrem Muskelgewebe charakteristische Muster unterschiedlicher stabiler Isotope des Aminostickstoffs nachgewiesen und sehr genau interpretiert werden.

Zu einem besonders klaren Ergebnis kam das Forscherteam um den Warnemünder Wissenschaftler beim Kabeljau: In der zentralen Ostsee, die reich an Blaualgen ist und von der östlichen Ostsee-Dorschpopulation bewohnt wird, ist die Nahrungskette deutlich länger als die des westlichen Ostsee-Dorsches . Meer.

Steinkopf sagt: „Die Position des westlichen Ostseedorsches im Nahrungsnetz beträgt 4,1, während die des östlichen Ostseedorsches zwischen 4,8 und 5,2 liegt.“ Dies bedeutet einen Energieverlust von 60 bis 99 Prozent für den Dorsch in der östlichen Ostsee im Vergleich zum Dorsch in der westlichen Ostsee. Allerdings gab es hinsichtlich der Stellung der Flunder im Nahrungsnetz nur geringe Unterschiede zwischen den beiden Meeresgebieten: 3,4 in der westlichen Ostsee gegenüber 3,1 in der mittleren Ostsee.

„In beiden Meeresgebieten ernähren sich Schollen vor allem von Muscheln, deren Nahrungsnetz auf Phytoplankton basiert, unabhängig davon, ob Blaualgenblüten vorhanden sind oder nicht. Große Unterschiede sind daher nicht zu erwarten“, erklärt Uwe Krumme vom Ostsee-Thünen-Institut. Sea Fisheries, Co-Autor der Studie. Für die Studie wurden insbesondere die Fischproben vom Thünen-Institut aufbereitet, das über entsprechende Expertise zu Fischbeständen in der Ostsee verfügt.

„Bei den beiden Kabeljaubeständen stellt sich die Situation anders dar. Der westliche Ostseedorsch ernährt sich hauptsächlich von Felsenkrabben, einem Meeresbodenbewohner. Ihr Nahrungsnetz ist daher kürzer als das des östlichen Ostseedorschs, der sich hauptsächlich von Hering und Sprotte ernährt.“ leben vom Zooplankton. Diese Ernährungsunterschiede allein können jedoch nicht die deutlich höhere Stellung des östlichen Ostseedorsches in der Nahrungskette erklären“, so Krumme weiter.

Was ist also die Ursache für die deutliche Verlängerung der Nahrungskette für Kabeljau in der östlichen Ostsee?

„In Blaualgengebieten stellt Zooplankton seine Ernährung um. Anstatt sich vegetarisch zu ernähren, ernähren sie sich von Mikroben, die sich von den Ausscheidungen oder Zerfallsprodukten der Blaualgen ernähren, wenn die Blüten absterben, wie dies in früheren IOW gezeigt wurde.“ „Dadurch entsteht eine völlige zusätzliche Ebene im Nahrungsnetz, was unweigerlich zu einem hohen Energieverlust bei Organismen führt, die spätere Positionen im Nahrungsnetz besetzen“, erklärt Natalie Loick-Wilde, Spezialistin für isotopenbasierte Nahrungsnetzanalyse und Co -Autor der Studie.

„Diese Art der Verlängerung des Nahrungsnetzes bei Fischen ist seit einiger Zeit Gegenstand theoretischer Diskussionen. Wir können sie nun erstmals direkt messen und eindeutig dem von Blaualgen dominierten Nahrungsnetz zuordnen“, erklärt der Marine Biologe. sagte. Sie schuf am IOW eines der weltweit wenigen Meeresforschungslabore, in dem stabile Isotope von Stickstoff und Kohlenstoff in 13 verschiedenen Aminosäuren gemessen werden können.

„Die Isotopenanalyse des Nahrungsnetzes ist ein wertvolles Instrument, um grundlegende Veränderungen in Ökosystemen aufzudecken und Wechselwirkungen besser zu verstehen. Die Energiekrise bei Kabeljau in der östlichen Ostsee zeigt, dass Fischereibeschränkungen allein nicht mehr ausreichen, um die Bestände zu erholen. Das Netz selbst muss saniert werden. Dies ist jedoch möglich.“ „Das kann nur erreicht werden, wenn alle verfügbaren Möglichkeiten zur Bekämpfung der Eutrophierung der Ostsee länderübergreifend genutzt werden“, sagt Steinkopf. Die Ergebnisse zur Scholle zeigen, dass nicht alle Teile des Nahrungsnetzes gleichermaßen betroffen sind.

Allerdings „deutet die Studie auch darauf hin, dass Nahrungsnetze bzw. Nahrungsnetzverlängerungen nicht nur in der Ostsee relevant sind, sondern zu einem globalen Problem werden, da der Klimawandel schädliche Algenblüten und viele andere Stressfaktoren für Nahrungsnetze begünstigt“, schlussfolgert die Marine Biologe.

Mehr Informationen:
Markus Steinkopf et al., Trophische Verlängerung, ausgelöst durch filamentöse N2-fixierende Cyanobakterien, stört pelagische, aber nicht benthische Nahrungsnetze in einem großen Flussmündungsökosystem, Ökologie und Evolution (2024). DOI: 10.1002/ece3.11048

Bereitgestellt vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

Zitat: Wie Eutrophierung und Klimawandel die Nahrungsnetze in der Ostsee verändern (27. März 2024), abgerufen am 27. März 2024 von https://phys.org/news/2024-03-eutrophication-climate-food-webs-baltic. html

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By rb8jg

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