Kunststoffrecycling ist keine Wunderlösung

Kredit: Umweltwissenschaft und -technologie (2024). DOI: 10.1021/acs.est.3c04851

Angesichts der Klimakrise und der weltweiten Plastikverschmutzung glauben viele, dass das Recycling von Materialien, insbesondere Kunststoff, die Lösung unserer Probleme sei. Recycling kann den Ressourcenverbrauch reduzieren, Abfall vermeiden und den CO-Ausstoß reduzieren2 Emissionen. Es ist ein wichtiger Eckpfeiler der Kreislaufwirtschaft. Doch während einige Materialien relativ einfach zu recyceln sind, ist das Recycling von Kunststoffen mit einem komplexen Zielkonflikt verbunden.

Besonders wichtig ist es, Kunststoffe fossilen Ursprungs zu recyceln, anstatt sie zu verbrennen (thermische Verwertung) oder nach einmaligem Gebrauch in die Natur zu werfen. In vielen Gemeinden der Schweiz können wir unseren Plastikmüll, genauer gesagt unseren gemischten Haushaltskunststoff, in einem der vielen Plastiksammelbeutel entsorgen, um ihn anschließend maschinell zu sortieren und dem Recycling zuzuführen.

Doch der Recyclingprozess stößt schnell an seine Grenzen. Mechanisches Recycling ist aus ökologischer Sicht dann am sinnvollsten, wenn recycelte Materialien möglichst viele Primärmaterialien ersetzen. Das bedeutet, dass das CO2 Emissionen aus Produktion und Verbrennung können vermieden werden und Plastik landet nicht auf Mülldeponien oder in der Umwelt. Doch der Ersatz neuer Kunststoffe erfordert hochwertige Recyclingmaterialien – und genau darin liegt das Problem.

Chemikalien können den Recyclingprozess stören

Wichtig zu wissen ist, dass wir verschiedenste Kunststoffe produzieren und verwenden. Sie bestehen aus Polymerketten aus sich wiederholenden Monomereinheiten und enthalten je nach Verwendungszweck viele zusätzliche Chemikalien, darunter Stabilisatoren, Weichmacher und Flammschutzmittel, die den Kunststoffen die notwendigen Eigenschaften verleihen. In einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen haben wir bis zu 13.000 Chemikalien identifiziert, die in Kunststoffen verwendet werden. Viele dieser Stoffe sind potenziell schädlich für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. In einigen Fällen sind sie jedoch nicht ausreichend reguliert.

Die große Menge an Kunststoffen und Zusatzstoffen mindert oft die Qualität des recycelten Materials und macht ein Recycling in der Praxis schwierig oder unmöglich. Daher nützt es uns nicht viel, immer mehr Plastikmüll einzusammeln, wenn viele Plastikprodukte nicht aus den anfallenden Recyclingmaterialien, sondern nur aus neuen Materialien hergestellt werden können.

Ein größeres Problem besteht darin, dass langlebige Kunststoffprodukte häufig Zusatzstoffe enthalten, von denen wir mittlerweile wissen, dass sie schädlich für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind. Wenn das Recycling dieser Kunststoffe nicht sorgfältig gemanagt wird, besteht die Gefahr, dass regulierte Chemikalien länger im Umlauf bleiben, anstatt aus dem Kreislauf entfernt zu werden.

Die Nachteile unserer bunten Plastikwelt

Anders als beispielsweise bei Lebensmitteln müssen Kunststoffhersteller ihre Rezepturen und Inhaltsstoffe selten deklarieren. Das bedeutet, dass wir nicht wissen, was die meisten Kunststoffprodukte enthalten und ob sie sicher recycelt werden können. Hier kommt meine Forschung ins Spiel. Als Chemiker versuche ich herauszufinden, woraus Kunststoffe bestehen und ob sie recycelbar sind.

Zum Beispiel im Rahmen einer Studie, die in veröffentlicht wurde Umweltwissenschaft und -technologieKürzlich haben wir zusammen mit Kollegen anderer Schweizer Universitäten Kunststoffböden auf Basis von Polyvinylchlorid (PVC) untersucht. PVC ist ein wichtiger Kunststoff im Bausektor und wird häufig recycelt (Recyclingquote: 16 %). Im Rahmen dieser Studie haben wir 151 neue PVC-Bodenbeläge auf das Vorhandensein von Schwermetallen, Weichmachern und anderen Chemikalien getestet. Alle getesteten Produkte waren neu und wurden in der Schweiz gekauft.

Die Ergebnisse der Studie haben uns überrascht. In 24 der neuen Bodenbeläge (16 %) fanden wir schädliche und schon lange verbotene Zusatzstoffe, etwa Blei als Stabilisator und den Weichmacher DEHP, ein Orthophthalat. Der Einsatz von Blei und DEHP in neuen Materialien ist in der EU und der Schweiz aufgrund gesundheitlicher Risiken verboten. Dass diese Stoffe dennoch in neuen Bodenbelägen zu finden sind, liegt unserer Meinung nach höchstwahrscheinlich an verunreinigtem recyceltem PVC.

Darüber hinaus enthielten 29 % der Bodenbeläge weitere Orthophthalate als Weichmacher, deren Verwendung weiterhin zulässig, aber ebenfalls besorgniserregend ist. Einige Phthalate stehen im Verdacht, endokrine Disruptoren und Karzinogene zu sein und werden mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht.

PVC-Bodenbeläge gelten seit langem als Hauptquelle gefährlicher Chemikalien in Gebäuden, da sie Weichmacher auslaugen. Dennoch wissen wir wenig über ihre chemische Zusammensetzung.

Wie können wir dieses Problem lösen?

Dieses Beispiel zeigt, wie die große Vielfalt unterschiedlicher Chemikalien in Kunststoffen und die mangelnde Transparenz darüber die Kreislaufwirtschaft vor Herausforderungen stellen und möglicherweise Menschen und Umwelt gefährden.

In Zukunft müssen wir Wege finden, PVC-Bodenbeläge nachhaltig zu recyceln, ohne die menschliche Gesundheit zu schädigen. Dies erfordert strengere Kontrollen und Prozesse zur Entfernung schädlicher Chemikalien aus recycelten PVC-Produkten. Praktische Methoden zum Nachweis von Phthalat-Weichmachern in Kunststoffen sind bereits entwickelt und müssen in das Recyclingsystem integriert werden.

Für andere Chemikalien verfügen wir jedoch nicht über einfache und schnelle Nachweismethoden. In diesem Fall sind einfache und schnelle Analysen für andere Arten von Kunststoffen und Chemikalien erforderlich und insbesondere müssen auch die Herstellungsprozesse angepasst werden.

Wenn wir in Zukunft mehr neue Materialien ersetzen wollen, brauchen wir höherwertige Recyclingmaterialien. In der Praxis bedeutet dies vor allem eine Reduzierung der Anzahl verschiedener eingesetzter Kunststoffe und Chemikalien, eine stärker standardisierte Herangehensweise an die Materialgestaltung, die das Recycling von Anfang an berücksichtigt, sowie eine höhere Transparenz in der Lieferkette.

Mehr Informationen:
Helene Wiesinger et al., Alte und neue Weichmacher und Stabilisatoren in PVC-Bodenbelägen und Auswirkungen auf das Recycling, Umweltwissenschaft und -technologie (2024). DOI: 10.1021/acs.est.3c04851

Zitat: Warum Kunststoffrecycling keine Wunderlösung ist (9. März 2024), abgerufen am 10. März 2024 von https://phys.org/news/2024-03-recycling-plastic-quick.html

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By rb8jg

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