von Friederike Gawlik, Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)

Pilz wandelt Cellulose direkt in eine neue chemische Plattform um

Kredit: ACS Nachhaltige Chemie und Technik (2024). DOI: 10.1021/acssuschemeng.3c04664

Der Pilz Talaromyces verruculosus kann die Chemikalie Erythroisocitronensäure direkt aus billigen Pflanzenabfällen herstellen, was sie für die industrielle Nutzung attraktiv macht.

Ein Forscherteam aus Jena hat mithilfe der natürlichen Fähigkeiten des nicht gentechnisch veränderten Pilzes eine Methode entdeckt, Cellulose effizient in eine Form von Isozitronensäure umzuwandeln. Die neue Produktionsmethode könnte den bisher komplexen, mehrstufigen Prozess zur Gewinnung von Plattformchemikalien aus Zellulose deutlich vereinfachen, indem nur ein einziger Bioprozess erforderlich wäre.

Durch diese neue kostengünstige Methode kann das selten genutzte Schwestermolekül der intensiv genutzten Zitronensäure einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zugute kommen, sofern es dafür einen Markt gibt.

Die Studie wurde von einem Forscherteam des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) in der Fachzeitschrift veröffentlicht ACS Nachhaltige Chemie und Technik.

Als natürliche Stoffwechselprodukte der meisten Lebewesen gehören Zitronensäure und Isozitronensäure zu den häufigsten Säuren in der Natur. Zitronensäure wird industriell in großen Mengen aus dem Pilz Aspergillus niger hergestellt. Mit einer jährlichen Produktion von etwa 2,8 Millionen Tonnen weltweit ist es eines der volumenstärksten Biotechnologieprodukte überhaupt.

Sein Einsatzgebiet ist enorm: Ob als Entkalkungsmittel, Konservierungsmittel, Pflegemittel oder Geschmacksverstärker, die vielseitige Naturchemikalie ist ein wichtiger und kostengünstiger Zusatzstoff in der Industrie, denn die biotechnologische Produktion ist äußerst effizient und einfach.

Auch die Herstellung von Biokunststoffen und Biokraftstoffen aus Zitronensäure ist technisch möglich. Da Zitronensäure jedoch aus Zucker hergestellt wird und somit in direkter Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion steht, sind diese Einsatzgebiete bisher weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Tatsächlich verbraucht die Zitronensäureproduktion derzeit mehr als 1 % der weltweiten Zuckerproduktion.

Isozitronensäure ist Zitronensäure sehr ähnlich, nur dass eine Hydroxylgruppe an einem anderen Kohlenstoffatom positioniert ist. Dadurch wird das Molekül asymmetrisch und es gibt zwei verschiedene Varianten, sogenannte Diastereomere, sogenannte Threo- und Erythro-Isocitronensäure. Jedes Diastereomer hat zwei spiegelbildliche Varianten, die D- und L-Form.

Zitronensäure und Isozitronensäure haben nahezu identische Eigenschaften und es kann davon ausgegangen werden, dass die Isoform ebenso weit verbreitet wäre. Der Grund dafür ist, dass es noch kein effizientes Herstellungsverfahren für reine Isozitronensäure gibt und diese daher derzeit nur als Forschungschemikalie verfügbar ist.

Ein Kilogramm dieser Substanz kostet derzeit rund 18.000 Euro. Das neue Produktionsverfahren ermöglicht jedoch eine nachhaltige und kostengünstige Produktion aus Abfällen und Pflanzenresten wie Stroh, Altpapier oder Holzresten, wodurch es künftig möglich sein könnte, Isozitronensäure noch günstiger als Zitronensäure herzustellen.

Bisher war für die Nutzung solcher nachwachsender Rohstoffe ein aufwändiger dreistufiger Prozess erforderlich. Um die Zellulose zunächst enzymatisch in Zucker aufzuspalten, um sie schließlich von Mikroorganismen nutzen zu können, waren teure Enzyme nötig.

Pilz wandelt Cellulose direkt in eine neue chemische Plattform um

Talaromyces verruculosus in einer Petrischale Bildnachweis: Ivan Schlembach

Ein Pilz, ein Prozess

Ein vielversprechender Ansatz ist das Consolidated Bioprocessing (CBP), bei dem verschiedene Prozessschritte mithilfe geeigneter Mikroorganismen zu einem zusammengefasst werden. Der Star des neuen biotechnologischen Verfahrens ist der Schimmelpilz Talaromyces verruculosus.

In Screening-Tests entdeckte Erstautor Ivan Schlembach, dass der aus der Natur isolierte Wildtyp T. verruculosus Lignocellulose massenhaft und sehr effizient direkt in Erythro-Isocitronensäure umwandeln kann, und zwar in einem einzigen Prozess, bei dem der Pilz selbst alle dafür notwendigen Enzyme produziert Die Verwandlung. Das.

Durch Experimente ermittelten die Forscher die idealen Bedingungen für den Zelluloseabbau und die Isozitronensäureproduktion, darunter Faktoren wie Stickstoffgehalt, pH-Wert, Temperatur und Nährstoffkonzentration. Sie entwickelten außerdem neue Methoden, um die Aktivität des Cellulase-Enzyms, das für den Abbau von Cellulose unerlässlich ist, während des Fermentationsprozesses genau zu messen. Dies ermöglicht eine optimale Kontrolle des Produktionsprozesses.

Miriam Rosenbaum leitet das Biotechnikum am Leibniz-HKI und ist Professorin für Synthetische Biotechnologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie erklärt: „T. verruculosus hat die einzigartige Fähigkeit, Lignocellulose mit bemerkenswerter Effizienz direkt in Erythro-Isocitronensäure umzuwandeln.

„Dies geschieht in einer Geschwindigkeit, die mit der Umwandlung von Glukose vergleichbar ist, die im Labor als Rohstoff für den Fermentationsprozess verwendet wird. Mit dem Pilz haben wir ein einfacheres und kostengünstigeres Verfahren entwickelt.“

Das Produkt sucht einen Markt

Isozitronensäure lässt sich chemisch leicht in Itaconsäure umwandeln, für die bereits heute ein hoher Bedarf für die Herstellung nachhaltiger Kunststoffe und Beschichtungen besteht. Wenn Erythro-Isocitronensäure gut verfügbar ist, dürfte es nicht an Kunden mangeln.

Dabei treten jedoch die gleichen Hürden auf wie bei jedem neuen Stoff: Da Erythro-Isocitronensäure noch nicht in großen Mengen verfügbar ist, muss zunächst der Markt etabliert werden.

Das nun entwickelte, deutlich kostengünstigere Verfahren eröffnet neue Möglichkeiten und Anwendungen.

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass bei dem Prozess ausschließlich Erythro-Isocitronensäure entsteht und kein Gemisch verschiedener Diastereomere. Dies macht das Molekül für bestimmte Anwendungen, beispielsweise in der Pharmaindustrie, besonders interessant.

Bei Arzneimitteln ist oft nur ein Diastereomer wirksam, sodass dieses aufwändig aus der Mischung beider Varianten isoliert werden muss. Erythro-Isocitronensäure kann als wertvoller chiraler Baustein für chemische Synthesen dienen.

Die spezifischen biologischen Eigenschaften von Erythro-Isocitronensäure sind bisher wenig untersucht. Für das Schwestermolekül Threo-Isocitronensäure wurden jedoch viele nützliche Eigenschaften nachgewiesen.

Letztere kann insbesondere in der Medizin-, Pharma-, Kosmetik- oder Lebensmittelindustrie eine wertvolle Ergänzung zur Zitronensäure sein, beispielsweise als Chelatbildner, als Antikoagulans in Blutproben, als funktionelles Nahrungsergänzungsmittel, als Inhaltsstoff in Kosmetika. als Konservierungsmittel oder Anti-Aging-Wirkstoff in Lifestyle-Produkten.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Organismen wie T. verruculosus die nachhaltige Nutzung von Bioabfällen ermöglichen und die Produktion wertvoller Chemikalien aus erneuerbarer Biomasse wirtschaftlich sinnvoll machen können.

„Die Natur birgt ein enormes Potenzial zur Bewältigung globaler Nachhaltigkeitsherausforderungen. Der Pilz T. verruculosus legt den Grundstein für kostengünstige grüne Technologie, und es gibt auch viele industrielle Anwendungen für Isozitronensäure. Das einzige, was derzeit fehlt, ist die Erschließung von.“ den Markt an das neue Verfahren heranzuführen”, betont Ivan Schlembach.

Das Forschungsteam arbeitet derzeit daran, den Prozess weiter zu optimieren und die biochemischen Reaktionen aufzuklären, die an der Bildung von Isozitronensäure beteiligt sind. Durch die Verfeinerung biochemischer Parameter wollen Jenaer Forscher zum Übergang zu einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Bioökonomie beitragen.

Zukünftig wollen sie gemeinsam mit interessierten Industriepartnern prüfen, ob das nun patentierte Verfahren auch am Markt bestehen kann.

Mehr Informationen:
Ivan Schlembach et al., „An Undesigned Fungus Provides a Shortcut from Cellulose to Bulk Erythro-Isocitric Acid“, ACS Nachhaltige Chemie und Technik (2024). DOI: 10.1021/acssuschemeng.3c04664

Bereitgestellt vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)

Zitat: Ein Pilz wandelt Cellulose direkt in eine neue chemische Plattform um (23. Mai 2024), abgerufen am 23. Mai 2024 von https://phys.org/news/2024-05-fungus-cellulose-platform-chemical.html

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By rb8jg

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